Wir trauern um Kostas Fragoulis

Leipzig, 21.12.2022

Wir trauern um Kostas Fragoulis. Der junge Mann wurde nur 16 Jahre alt, sein Leben endete mit einer Kugel im Kopf. Diese Kugel wurde am 5. Dezember 2022 in Thessaloniki aus einer Polizeiwaffe abgefeuert. Nach einer Woche des Kampfes erlag Kostas seinen schweren Verletzungen im Krankenhaus von Thessaloniki.

Wie konnte es dazu kommen?

Am 5.12.2022 verließ Kostas Fragoulis eine Tankstelle, ohne die Rechnung von 20 € zu bezahlen. Daraufhin wurde er von Polizeibeamten verfolgt. Ein Polizeibeamter feuerte Schüsse aus seiner Waffe ab und traf Kostas in den Kopf. Der Polizeibeamte behauptete, er habe aus Angst gehandelt und um sich und seine Kollegen zu schützen. Er wurde vom Dienst suspendiert und muss sich nun einer Untersuchung stellen. Für Kostas und seine Angehörigen sind die Konsequenzen dieses Vorfalls jedoch ungleich gravierender. Ein junges Leben wurde ausgelöscht, eine Familie und eine Community sind in Trauer. Die Roma-Community Thessalonikis, und ganz Griechenlands, ist in Aufruhr. Menschen versammeln sich, verbrennen 20€-Scheine.

Ein heranwachsender Rom wurde wegen einer unbezahlten Rechnung Opfer eines polizeilichen Waffeneinsatzes und starb. Wie konnte es dazu kommen? Panagiotis Sabanis, der Vorsitzende der Roma-Föderation von Zentral- und Westmazedonien, ist sich sicher, dass es sich bei diesem Vorfall unverhältnismäßiger Polizeigewalt um Rassismus gegenüber Rom*nja handelt. Es ist nicht der erste Fall dieser Art. Bereits im Oktober 2021 wurde in Athen ein Rom bei einer Verfolgungsjagd von der Polizei erschossen. Auch da ist ein junger Mann mit gerade einmal 18 Jahren aus dem Leben gerissen worden.

Uns erinnert der Tod Kostas auch schmerzlich an den Tod von Stanislav Tomáš. Dieser junge Rom wurde am 19. Juni 2021 in der tschechischen Stadt Teplice von Polizeibeamten getötet, als ein Beamter sich auf ihn kniete bis er leblos war. Der Vorfall wurde sogar von Zeugen gefilmt. Dennoch erhielt dieser Vorfall weitaus weniger öffentliche Aufmerksamkeit als der schreckliche Tod des schwarzen US-Amerikaners George Floyd ein Jahr zuvor, der auf erschreckend ähnliche Weise von einem Polizisten getötet wurde. Auch in Deutschland beobachten Romaorganisationen immer wieder unverhältnismäßige Polizeigewalt gegenüber Roma oder als solchen gelesenen Menschen.

Wir haben genug davon. Es reicht. Wir fordern, dass jeder einzelne dieser Fälle aufgeklärt wird. Wir fordern, dass rassistische Gewalt, die von staatlichen Amtsträgern verübt wird, als solche benannt und bekämpft wird. Und wir fordern, dass Polizist*innen in der Aus- und Weiterbildung für Rassismus, und speziell für Rassismus gegenüber Sinti*zze und Rom*nja sensibilisiert werden. Wir hoffen, dass wir in Deutschland auf einem guten Weg sind. In Thüringen, Hessen, Berlin und Brandenburg gibt es seit einigen Jahren eine Zusammenarbeit zwischen dem Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma und Bildungseinrichtungen der Polizei, sowie auch der Bundespolizei, um Wissen zur Geschichte und Gegenwart von Rom*nja und Sinti*zze und Sensibilisierung zu Antiziganismus in der Polizeiausbildung zu verankern. Auch in Sachsen wollen wir uns künftig verstärkt an der Sensibilisierung in der Aus- und Weiterbildung angehender Polizist*innen beteiligen.

Romano-Sumnal
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